Interview: Wie in Hamburg aus Biomüll und Wasserstoff Methan wird

Am Biogas- und Kompostwerk Bützberg soll Wasserstoff eingesetzt werden, um die Produktion von Methan, das bei der Vergärung ensteht, zu erhöhen. Arina Kosheleva und She Ming Ng vom Norddeutschen Reallabor berichten im Interview von ihren Untersuchungen im Labor und dem Fortschritt im Projekt.

Arina Kosheleva (links) und She Ming Ng (rechts) erforschen im Labor die Herstellung von klimaneutralem Methan aus Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid. Foto: Christian Schneider.

Autor: Christian Schneider, CC4E/HAW Hamburg, wissenschaftliche Hilfskraft NRL-Kommunikation

Hamburg. Arina Kosheleva und She Ming Ng forschen am Institut für Circular Resource Engineering und Management (CREM) der Technischen Universität Hamburg (TUHH). Mit Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid stellen sie im Labor klimaneutrales Methan her. Ein Prozess, der bald im großen Maßstab am Biogas- und Kompostwerk der Stadtreinigung Hamburg repliziert werden soll. Das Ganze geschieht im Rahmen eines Teilvorhabens des Norddeutschen Reallabors, welches den Titel „Synergie von Power to Gas und Bioabfallbehandlung“ (TV 6.2) trägt. Was genau in diesem Teilvorhaben erreicht werden soll, wie der Stand der Dinge ist und warum es eine Innovation darstellt, das erklären die beiden in diesem Interview.

Worum geht es beim NRL-Teilvorhaben „Synergie von Power to Gas und Bioabfallbehandlung“ genau?

Arina Kosheleva: „Wir wollen am Biogas- und Kompostwerk (BKW) Bützberg demonstrieren, wie sich die Power-to-Gas-Technologie optimieren lässt. Dort wird in einer Anlage zur Bioabfallbehandlung mit Vergärungsstufe Biomethan produziert und ins Erdgasnetz eingespeist. Normalerweise liegt der Methananteil am produzierten Biogas nur bei etwa 50 bis 60 Prozent. Als Nebenprodukt entstehen 40 bis 50 Prozent CO2. Mit unserem Vorhaben wollen wir durch die Zufuhr von Wasserstoff den Methananteil auf bis zu 75 Prozent erhöhen. Mittels PEM-Elektrolyse soll der Wasserstoff künftig direkt am Standort des BKW Bützberg erzeugt werden.“

Dieses Verfahren heißt In-situ-Methanisierung. Wurde das so schonmal umgesetzt?

Arina Kosheleva: „Im Bereich Trockenfermentation stellt unser Vorhaben eine Innovation dar. Denn in einem solchen Maßstab wie am Bützberg wurde ein diskontinuierlicher Vergärungsprozess mit Bioabfall unter Zufuhr von Wasserstoff noch nie demonstriert. Das ist auch für uns eine Herausforderung: Im Labor haben wir jetzt schon gesehen, dass der Prozess funktioniert. Wir können den Methananteil am Biogas erhöhen. Aber wenn es um eine so große Anlage wie das BKW Bützberg geht, dann ist es nochmal etwas anderes.“


Infobox: Das sind Arina Kosheleva und She Ming Ng
Arina Kosheleva arbeitet seit 2019 am CREM der TU Hamburg. Die gebürtige Russin ist vor acht Jahren für ihr Masterstudium nach Deutschland gekommen. Jetzt promoviert sie zum Thema Biomethanisierung von Bioabfällen.
Auch She Ming Ng ist für ihren Master im Fach Umwelttechnik nach Deutschland gezogen. Die Doktorandin kommt ursprünglich aus Malaysia und arbeitet nun seit zwei Jahren am CREM.
Wir haben die beiden gefragt, wie sie dazu kamen, sich wissenschaftlich mit Müll auseinanderzusetzen:
She Ming Ng: „Ich habe mich in meiner Masterarbeit mit einer Biogasanlage auseinandergesetzt. Dabei bin ich darauf gestoßen, dass beim Vergärungsprozess von Bioabfällen viele organische Bestandteile übrigbleiben. Hier wurde mein Interesse für diesen Bereich geweckt. Ich möchte, dass diese Prozesse künftig optimierter ablaufen.“
Arina Kosheleva: „Für mich war das Thema auch schon für meine Masterarbeit interessant. Dann bekam ich die Möglichkeit in dem Bereich zu promovieren. Das war also mein praktischer Weg. Davon abgesehen denke ich, dass wir unsere Wahrnehmung von Abfall oder Müll generell hinterfragen sollten. Für mich ist Abfall nicht nur einfach Abfall, sondern ein wertvolles Sekundärmaterial.“

 

Im Norddeutschen Reallabor sollen Wissenschaft, Politik und Industrie eng vernetzt arbeiten. Sie zeigen das in Ihrem Teilvorhaben im Kleinen. Mit Erfolg?

Arina Kosheleva: „Für uns persönlich ist es sehr spannend, mit einem industriellen Partner zusammenzuarbeiten. So können wir das, was wir in der Theorie erforschen auch in der Praxis testen. Seit dem Projektstart vor drei Jahren arbeiten wir mit der Stadtreinigung Hamburg eng zusammen. Wir sind für die Planung von Versuchen, für die Modellierung und Auswertung verantwortlich. Und die Stadtreinigung muss dann vor Ort die notwendigen Änderungen an der Anlage umsetzen. Über die Zeit sind wir wirklich ein Team geworden.“

Bevor Sie mit der Biomethanisierung direkt im Biogas- und Kompostwerk Bützberg starten, haben Sie im Labor Untersuchungen gemacht. Warum?

She Ming Ng: „Es ging darum, Antworten auf verschiedene Fragen zu finden, zum Beispiel: Wie viel Wasserstoff sollten wir hinzuführen, zu welchem Zeitpunkt und mit welcher Frequenz? Und wir haben jetzt in den Laborversuchen zum Beispiel festgestellt, dass wir bei einem Verhältnis von Wasserstoff zu CO2 von 2:1 einen Anstieg der Methanproduktion um 14 % erreichen können. Das heißt, wir sparen damit auch jede Menge CO2 ein: Am BKW Bützberg wären das etwa 450 Tonnen CO2 pro Jahr. Das entspricht ungefähr so viel CO2, wie etwa 18.000 Bäume, die 20 Jahre alt sind, innerhalb eines Jahres der Luft entziehen. Dabei wissen wir aber, dass das optimale Verhältnis von Wasserstoff zu CO2 4:1 ist. Das heißt, hier gibt es sogar noch Verbesserungspotenzial.“

Handelt es sich dabei um klimaneutrales und damit umweltfreundliches Methan?

She Ming Ng: „Bei dem Material, das in der Biogasanlage verarbeitet wird, handelt es sich um Bioabfall. Somit handelt es sich auch nicht um fossiles CO2. Das ist also prinzipiell ein klimaneutraler Prozess. Beim Wasserstoff kommt es darauf an, dass dieser klimaneutral erzeugt wird.“

Arina Kosheleva: „Die Stadtreinigung Hamburg schafft im Rahmen des Projekts einen Elektrolyseur zur Produktion von Wasserstoff an. Bis dahin testen wir mit grünem Flaschenwasserstoff. Darüber hinaus gilt: Während bei Biogasanlagen, die mit Bioabfällen betrieben werden, die Umweltfreundlichkeit nicht anzuzweifeln ist, kann der hohe Flächenverbrauch bei Biogasanlagen, die mit Maissilage gespeist werden, Gegenstand von Kritik sein.“

„Wir können über diesen Prozess konstant klimaneutrale Energie zur Verfügung stellen und springen ein, wenn kein Wind weht und die Sonne nicht scheint.“

Sie haben die Laboruntersuchen also abgeschlossen. Im nächsten Schritt testen Sie mit Flaschenwasserstoff direkt am BKW Bützberg. Wie groß ist das Skalierungspotenzial dieses Vorhabens?

Arina Kosheleva: „Das Skalierungspotenzial dieser Power-to-Gas-Technologie ist beträchtlich. Aber dazu braucht es noch Fortschritte beim Ausbau der erneuerbaren Energien und beim Wasserstoffhochlauf sowie unterstützende politische Maßnahmen. Mit dieser Technologie kann CO2 in eine wertvolle Ressource verwandelt werden. Und es gibt noch einen weiteren Punkt: Während es für erneuerbare Energien und Wasserstoff bislang noch kaum Speichermöglichkeiten gibt, gibt es für Methan mit dem Erdgasnetz eine gut ausgebaute Infrastruktur. Wir können über diesen Prozess also konstant klimaneutrale Energie zur Verfügung stellen und springen ein, wenn kein Wind weht und die Sonne nicht scheint.“

Vielen Dank für das spannende und aufschlussreiche Interview!

Dieser Beitrag ist ebenfalls auf dem Blog des Clusters Erneuerbare Energien Hamburg erschienen.

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