Autor*innen: Leon Schröter & Dr. Sandra Meyer-Ghosh, CC4E/HAW Hamburg
17 Stunden am Tag herrscht Hochbetrieb auf dem Hamburger Flughafen. Bei über 120.000 Starts und Landungen und fast 15 Millionen Passagieren jährlich fällt – gerade jetzt in der Hauptreisezeit – ordentlich Gepäck an, das zügig verladen werden muss. Rund 60 Gepäckschlepper sind dafür aktuell am Hamburg Airport im Einsatz. Einer von ihnen fährt nun mit Wasserstoff statt Erdgas.
Der Hamburger Flughafen, assoziierter Partner im Energiewende-Verbundprojekt Norddeutsches Reallabor (NRL), hat sich ambitionierten Klimaschutzziele gesetzt: Schon seit 2021 wirtschaftet der Flughafen CO2-neutral, nun geht es auch den Restemissionen an den Kragen. Gemäß der Klimaschutz-Strategie „Net Zero 2035“ wird der fossile CO2-Ausstoß beim Betrieb der Flughafengebäude, -anlagen und -fahrzeuge durch technische Umstellungen und Energie-Einsparungen schrittweise auf null reduziert.
Eine vielversprechende Möglichkeit, den Bodenbetrieb von Flughäfen CO2-emissionsfrei zu gestalten, sindBodenfahrzeuge mit Wasserstoffantrieb. Dieses Ergebnis verschiedener internationaler Studien wird nun mit einem Praxistest am Hamburger Flughafen unter Realbedingungen überprüft.
Nachrüstung eines Serienfahrzeugs im laufenden Betrieb
Der Praxistest kann insbesondere deshalb zum Vorbild werden, da der neue Prototyp auf einem bestehenden Serienfahrzeug (Mulag 4CNG) basiert, das zuvor mit Erdgas betrieben wurde. Es wurde nun vom Unternehmen HTM Hydro Technology Motors für den reinen Wasserstoffbetrieb umgerüstet – somit musste kein neues Fahrzeug teuer angeschafft werden. Für den Umbau nutzt das Unternehmen HTM eine neuartige hybride Kombination seiner Kernkomponente, dem Wasserstoffverbrennungsmotor, in Verbindung mit einem elektrischen Antriebssystem. Betankt wird der Schlepper direkt am Flughafen über eine mobile Tankeinheit der Firma Ryze Power.
Die Testphase für den Prototypen ist auf sechs bis neun Monate angelegt und erfolgt ganz bewusst in den Sommermonaten, um das Fahrzeug im Hochbetrieb testen zu können. Julian Klaaßen, Projektleiter NET ZERO 2035 am Hamburg Airport, erläutert:
„Mit diesem Test schließen wir die Lücke zwischen Theorie und Praxis. Die Umrüstung bestehender Fahrzeuge bietet einen realistischen und skalierbaren Weg, unsere Bodendienste weiter Schritt für Schritt CO₂-frei aufzustellen – ein entscheidender Baustein unserer Klimastrategie.“
Auswertungen im Rahmen des Norddeutschen Reallabors
Die Testphase wird technisch und wirtschaftlich begleitet – unter anderem durch Analysen im Rahmen des Norddeutsche Reallabors (NRL). Einen Beitrag zur Auswertung der Testphase leistet auch eine Masterarbeit, die derzeit am CC4E der HAW Hamburg in Kooperation mit Hamburg Airport im Rahmen des NRL entsteht.
Janne Schrieber, Projektmanager bei hySOLUTIONS und stellvertretende Leitung der AG 7 „Mobilität“ im NRL, betont die Wichtigkeit des Praxistests für das Verbundprojekt: „Unsere Arbeitsgruppe zielt darauf, zu zeigen, wie eine emissionsfreie Mobilität durch den Einsatz von Wasserstoff als Energieträger möglich wird und wo es vielleicht noch Hürden zu überwinden gilt. Praxistests wie der von Hamburg Airport sind dafür unerlässlich, weil sie – ganz im Sinne eines „Reallabors“ – wertvolle Erfahrungen aus dem Realbetrieb beisteuern und in die gemeinsame Diskussion einbringen.“
Bereits das Vorgängerprojekt NEW 4.0 war 2019 am ersten wasserstoffbasierten Schlepperprojekt am Flughafen beteiligt. Das damals gemeinsam mit Mulag entwickelte Fahrzeug mit Brennstoffzellenantrieb wurde später auch an Flughäfen in Bristol und in Riga erprobt. Die Ergebnisse beider Testreihen sollen nun eine fundierte Entscheidungsbasis für Flughäfen in ganz Europa schaffen, um die richtige klimaneutrale Antriebstechnologie für den Bodenbetrieb zu finden.