Hamburg. Im Norddeutschen Reallabor sollen Transformationspfade für ein integriertes Energiesystem und den Weg zu einer klimaneutralen Region realitätsnah erprobt und aufgezeigt werden, wie CO2-Emissionen in Norddeutschland reduziert werden können. Die Freie und Hansestadt Hamburg strebt bis 2045 eine Emissionsminderung von 98 Prozent an, um eine Netto-CO2-Neutralität zu erreichen. Insbesondere aufgrund der in Hamburg ansässigen Schwerindustrie ist eine „All-Electric-Lösung“, also die ausschließliche Versorgung mit Strom aus regenerativen Quellen, kaum denkbar.
Das Teilvorhaben (TV 1.1) Integrierte Netzplanung (iNeP) im Norddeutschen Reallabor betrachtet daher die Netze für jede Energienutzung – Strom, Gase und Wärme – in der Industriemetropole Hamburg in Hinblick auf günstige Verknüpfungspunkte und -technologien sowie Ausbauempfehlungen für die Netzstrukturen und Speicher. Das übergeordnete Ziel stellt dabei die zuverlässige Versorgung der unterschiedlichen Verbraucherstrukturen Haushalte, Verkehr und Industrie mit ausschließlich erneuerbarer Energie dar. Für eine Metropole wie Hamburg ist das eine komplexe Aufgabe, da nahezu alle Leitungen unterirdisch verlegt werden müssen.
Die Zukunft planen – ein klimaneutrales Hamburg 2045
Klimaneutralität in der Energienutzung erfordert einen zeitlichen Vorlauf von mindestens 10 Jahren für die Anpassung der Energieinfrastrukturen sowie einer dafür ausgerichteten koordinierten und integrierten Planung zum Ausbau der Versorgungsnetze. Lägen im Jahr 2024 verbindliche Energiebedarfe für das Jahr 2034 vor, können die Infrastrukturen für das Jahr 2034 entsprechend beplant werden. Heute noch getrennte Planungsschritte sind für die integrierte Sichtweise auf den notwendigen Netzausbau für alle Formen der Energienutzung zusammenzuführen. Die bedarfsorientierte Planung ist zudem nicht nur einmalig, sondern alle 2 Jahre durchzuführen und zu überprüfen, um die sich bis 2045 erst noch konkretisierenden oder auch ändernden Entwicklungen zu berücksichtigen.
Die Herausforderung besteht insbesondere darin, für die verschiedenen Bedarfsträger Strom (Photovoltaik, Biogas, Wind), Erdgas, Wasserstoff und leitungsgebundene Wärme eine Netzinfrastrukturplanung zu entwickeln, die alle kundenseitigen Bedürfnisse berücksichtigt. Ziel ist es, eine Methodik zu entwickeln, mit der verschiedene Netzausbau-Alternativen bzgl. diverser Parameter verglichen werden können.
Bedarfsermittlung als Basis verschiedener Szenarien
Für eine verlässliche Planung der Netze sind also nicht die aktuellen Verbrauchsdaten für Gase, Strom und Wärme in Hamburg ausschlaggebend, sondern vielmehr die jeweils für die nächsten 10 Jahre neuen und geänderten Energiebedarfe sowie ihre Entwicklung bis hin zur angestrebten Klimaneutralität im Jahr 2045. Dies erfordert in Hamburg neue Planungsschritte zur Ermittlung von Bedarfsdaten und zur Erstellung eines städtischen Energie-Szenariorahmens, der dann als Ausgangsbasis für die Netzentwicklungen dienen kann:
- Wo könnte sich zukünftig Industrie ansiedeln?
- Wie wird diese ihre Energieversorgung sicherstellen?
- Welche Energieträger müssen anschlussfähig vorliegen?
- Wieviel Wärmepumpen werden installiert sein und wie kommt die Elektromobilität voran?
- Welche vorhandenen Leitungen können gegebenenfalls umgerüstet werden?
- Wie können diese Erkenntnisse mit der kommunalen Wärmeplanung integriert werden?
- Werden Speicher zu berücksichtigen sein?
Dies sind nur einige der Fragen, die verdeutlichen, wie komplex eine integrierte Netzplanung ist. Auf Grundlage eines verbindlichen Szenariorahmens können alternative Pfade für die bestehenden Netzinfrastrukturen (Road-Map) bestimmt und zu einem integrierten regionalen Netzausbauplan (iNAP) verdichtet werden. Vor Beginn des jeweiligen Netzausbaus ist (ebenfalls ein neuer Schritt) eine konsultierte Bestätigung der Vorschläge zum integrierten Netzausbau erforderlich.
Beteiligte Partner: Gasnetz Hamburg, Stromnetz Hamburg, Hamburger Energiewerke, TUHH, HSU/Distributed Energy Laboratory (DLab), THL
Interview-Partner: Julia Droege (Hamburger Energiewerke), Oliver-Henry Koch (Gasnetz Hamburg), Stefan Micheely (Stromnetz Hamburg)
Dieser Beitrag ist ebenfalls auf dem Blog des Clusters Erneuerbare Energien Hamburg erschienen.